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Weischedel, Wilhelm

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Lebenslauf

Geboren: 11. April 1905 in Frankfurt am Main
Gestorben: 20. August 1975 in Berlin

Wilhelm Weischedel wuchs in einem pietistisch geprägten Elternhaus auf und studierte Theologie und Philosophie in Marburg, Leipzig und Berlin. Er promovierte 1933 bei Heidegger in Freiburg mit einer Arbeit über „Das Wesen der Verantwortung“. Frühzeitig entschied sich Weischedel gegen den Nationalsozialismus und entfremdete sich daher auch rasch von seinem Lehrer und Mentor Heidegger. Erst nach dem Krieg, dessen Ende er als Mitglied der Résistance in Frankreich erlebte, konnte Weischedel seine wissenschaftliche Laufbahn fortsetzen. Er lehrte zunächst als ordentlicher Professor für Philosophie in Tübingen und ab 1953 bis zu seiner Emeritierung 1970 an der Freien Universität Berlin.


Bedeutung

Wilhelm Weischedel gilt als Meister der gut lesbaren philosophischen Sprache, die philosophisches Gedankengut der interessierten und philosophisch nicht vorgebildeten Allgemeinheit zugänglich macht. Auch die bis heute wichtigste Leseausgabe von Immanuel Kants Werken hat Weischedel herausgegeben.


Lehre und Gedanken

Für Weischedel ist Philosophieren keine Sache der Abstraktion, sondern vielmehr der Existenz. So vertritt er eine kritische existenzphilosophische Position, die er in Auseinandersetzung mit Skeptizismus und Nihilismus gewonnen hat. Als unhintergehbare Grunderfahrung der menschlichen Existenz gilt ihm die „Fraglichkeit“ von allem, so dass er als tiefstes Wesen der Wirklichkeit ihre radikale Fraglichkeit und Unsicherheit bestimmt. Die Fraglichkeit ist dabei nicht Resultat eines beständigen Hinterfragens von Wirklichkeit durch den Menschen, sondern vielmehr schon immer da. Das Fragen der Menschen ist nur Antwort und Entsprechung auf jene tief erfahrene Fraglichkeit. Diese Fraglichkeit stellt sich in ganz verschiedenen Lebenssituationen ein, z. B. in Unstimmigkeiten des eigenen Lebens, in der Begegnung mit Vergänglichkeit und Tod oder im Versuch, das Unendliche zu denken. Weischedel begegnet in seinen philosophischen Reflexionen der radikalen Fraglichkeit nicht mit Gleichgültigkeit, nicht mit Nihilismus oder Theologie, sondern mit dem Willen zum radikalen Fragen, das sich der existentiellen Grunderfahrung der Fraglichkeit stellt und weiterfragt, nicht schweigt.
Wirklichkeit wie auch menschliches Leben sind dabei als ständiges Schweben zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Sinn und Sinnlosigkeit zu begreifen. So bestimmt Weischedel den Menschen als einen radikal Fragenden, dem es aufgegeben ist, sich mit keiner Antwort zufriedenzugeben und so der fundamentalen Fraglichkeit standzuhalten.

In seinem philosophischen Hauptwerk „Der Gott der Philosophen“ entwickelt Weischedel „philosophische Theologie im Zeitalter des Nihilismus“, in der er Gott als das absolute Geschehen bestimmt, das die Fraglichkeit ermöglicht.

„Es kann der Augenblick kommen, an dem die Verantwortung für die Zukunft es unmöglich macht, weiterhin zu schweigen.“ (Philosophische Grenzgänge, 1967)

In seiner „Skeptischen Ethik“ entwirft Weischedel moralische Haltungen, d. h. Tugenden, die sich aus einer Existenz in der radikalen Fraglichkeit ergeben: Offenheit, Abschiedlichkeit, Verantwortlichkeit. So hat er sich besonders mit der Technikverantwortung des Menschen auseinandergesetzt.

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Wilhelm Weischedel vor allem durch sein populärwissenschaftliches Werk „Die philosophische Hintertreppe“, in dem er das Denken von 34 der bedeutendsten abendländischen Philosophen anekdotenreich und allgemeinverständlich darstellt. In diesem heute immer wieder neu aufgelegten Buch will Weischedel zweieinhalbtausend Jahren Philosophiegeschichte so verständlich machen, dass selbst ein Laie ohne philosophische Vorkenntnisse sie verstehen kann.


Hauptwerke von Wilhelm Weischedel

„Die philosophische Hintertreppe“ (1966)
Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe. München: Nymphenburger, 29. Aufl. 2008.

„Der Gott der Philosophen“ (1972)
Wilhelm Weischedel: Der Gott der Philosophen. Darmstadt: WBG 1998.

„Skeptische Ethik“ (1976)
Wilhelm Weischedel: Skeptische Ethik. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 5. Aufl. 1990.


Über Wilhelm Weischedel

Johannes Hieber: Frage und Fraglichkeit bei Wilhelm Weischedel. Darmstadt: WBG 1999.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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